Interview

Fragen von Natalia Semiletopoulo an Lera Auerbach

Ich habe gelesen, dass jemand vom Bremer Orchester zu Ihnen gesagt hat: „Wie wäre es mit der Komposition eines Requiems?“ und so entstand die Idee. Ich nehme an, es war Ihre Idee, sich auf Russland zu konzentrieren. Aber haben Sie jemals daran gedacht, ein großes Requiem oder Oratorium über Russland zu schreiben?

Das Bremer Festival (Thomas Albert) hat zu Beginn meiner Residenz nach meiner Wahl gefragt. Prof. Albert hat mir eine leere Leinwand gegeben. Die Idee eines russischen Requiems war meine Wahl. Einige Zeit später fand ein informales Gespräch mit Barbara Grobien von der Philharmonischen Gesellschaft Bremen statt. Das Thema war „Ein Deutsches Requiem“ und seine Uraufführung in Bremen. Während dieses Gesprächs wurde das Konzept eines russischen Requiems, das während meiner Residenz in Bremen geschrieben werden sollte, vollständig konkretisiert. Ja, es gab eine direkte Verbindung zur Rolle der Philharmonischen Gesellschaft Bremen in Bezug auf „Ein Deutsches Requiem“. Später wurde vereinbart, dass das Festival de Música Religiosa in Cuenca, Spanien, der dritte Mitbesteller des Werks wird.

Wo haben Sie daran gearbeitet und wie lange hat es gedauert? Haben Sie bereits einige Teile komponiert, bevor Sie dachten, dass sie in dieses Requiem passen? Wenn Sie einige Monate in Bremen verbracht haben (oder auch nicht), hat Brahms Sie in gewisser Weise beeinflusst? „Ein Deutsches Requiem“ wurde schließlich in Bremen uraufgeführt, und die deutschen Menschen haben eine sehr enge Beziehung zu Brahms. War dies eine besondere Herausforderung für Sie?

Dieses Werk wurde hauptsächlich in Bremen konzipiert, aber auch während meiner Reisen in diesem Jahr. Das gesamte Hauptmaterial des Requiems wurde in einer intensiven Zeit von etwa drei Monaten fertiggestellt. Mein Wunsch, die Bremer Domglocken zusammen mit russischen Glocken in der Einleitung der Uraufführung zu verwenden, ist eine Anerkennung und Verbeugung vor Bremen und seiner Geschichte mit „Ein Deutsches Requiem“.

Übrigens Brahms: Auf dem Titelblatt der Partitur steht immer „Russian Requiem“, aber über der ersten Seite der Partitur steht „A Russian Requiem“ – also denke ich wieder an irgendeine Beziehung zu Brahms „Ein Deutsches Requiem“ aufgrund des Artikels. Was denken Sie?

Wie in der russischen Sprache gibt es keine Artikel „der“ oder „ein“; dies wurde in der Übersetzung nicht festgelegt.

Haben Sie am Text und an der Musik parallel gearbeitet oder haben Sie zuerst den Text zusammengestellt und dann die Musik komponiert?

Der Text kam zuerst. Dann die Musik.

Ich denke, hinter dem gewählten Text verbirgt sich im übertragenen Sinne eine Requiemsmesse. So können Nr. 1-9 dem Introitus, Kyrie, Graduale und Tractus als Anrufung Gottes und Bitte um Absolution entsprechen, das Dies Irae sehe ich in Nr. 10 und 11, und in den folgenden Sätzen sehe ich das Offertorium, Sanctus, Agnus Dei, Communio, Libera me und In Paradisum als Hoffnung auf Barmherzigkeit und Auferstehung. (Ich habe dies in meiner Arbeit genauer ausgearbeitet, wollte es Ihnen aber nur mitteilen – vielleicht denken Sie nicht so.)

Ich glaube, es ist wichtig, verschiedene Interpretationen eines Werks zuzulassen. Es gibt viele Verbindungen, die vom Komponisten absichtlich entstanden sein können oder auch nicht. In der Panihida-Tradition der russisch-orthodoxen Kirche gibt es keine feste Struktur, aber gewisse Parallelen können gezogen werden. Eines kann ich mit Ihnen teilen: Das hebräische Wort für „Leben“ ist חי (khai), und es hat einen numerischen Wert von 18.